Indien im Frühjahr 2023

Wie geht es den Menschen in unseren Projekten?

Schwülwarme Luft empfängt uns am Flughafen in Chennai, Südindien.
Obschon es nicht unser erster Besuch in Indien ist, sind die fremdartigen Eindrücke doch immer wieder überwältigend. Das vorbestellt Taxi bringt uns ins Hotel nach Mamallapuram, welches wir frühmorgens gegen 5 Uhr erreichen. Jeder von uns Dreien nutzt den restlichen Tag, um sich von der langen Anreise zu erholen und sich an das neue Umfeld zu gewöhnen.

Der Grund der Reise ist vor allem unseren beiden bestehenden Projekten einen Besuch abzustatten und die Menschen wieder zu treffen, die wir vor Jahren zuletzt gesehen haben. Familie Elaiya Muragan und Menschen in der Loyola Schule. Beide Projekte betreuen wir schon seit längerer Zeit und wir sind gespannt, wie sich die Lage dort nun darstellt. Wir wollen aber auch nach neuen, möglichen Projekten Ausschau halten.

Schulwappen
Elaiya mit seiner Frau und zweier Vorstandsmitglieder

Der Besuch in der Loyola Schule, eine Privatschule zwei Fahrstunden außerhalb Mamallapurams beginnt mit einem festlichen Empfang. Die verschiedenen Schulklassen überraschen uns mit tänzerischen Darbietungen und wir dürfen anschließend den Schülern, die die diesjährigen Prüfungen bestanden haben, Urkunden überreichen. Besonders stolz sind die Kinder über die Fotos, welche mit uns Fremden bei der Übergabe gemacht werden und die jedes Kind mit nach Hause nehmen darf.
Danach findet ein Rundgang durchs Schulgebäude mit Pater Leo und seinen leitenden Mitarbeitern statt. Strahlende Kinderaugen und engagierte, motivierte Lehrkräfte empfangen uns in den Klassenzimmern. In den beiden Laboren zeigen uns die älteren Schüler diverse Versuchsaufbauten und die eine oder andere chemische und physikalische Reaktion.
Immer wieder erstaunt es, welchen Ehrgeiz und Willen zum Lernen die Kinder jeden Alters an den Tag legen. Umso bedrückender wirkt auf uns die Aussage von Pater Leo, dass durch die Coronazeit und auch danach die Schule schwer gelitten hat. Eltern konnte das Schulgeld nicht bezahlen und Lehrkräfte musste auf die Hälfte Ihres Gehalts notgedrungen verzichten. Ein Teil des zur Schule gehörenden Landes musste verkauft werden, um den Schulbetrieb einigermaßen aufrecht erhalten zu können. Dringend benötigte Investitionen für den Ausbau der Schule konnten nicht realisiert werden.

Bild des Schulneubaus
Chemie Labor

Jetzt, wo die Normalität wieder langsam Einzug hält, werden zwei neue Klassenzimmer benötigt. Diese sollen bereits im Sommer bezugsfertig sein, da dann das neue Schuljahr beginnt. Leo will in seiner Schule auch den Besuch höheren Klassen ermöglichen, um Schülern den späteren Weg in Verwaltungslaufbahnen zu ebnen.
Dafür und für die Entlohnung der Lehrer sucht man nun nach finanziellen Mitteln, die alleine derzeit nicht aufgebracht werden können.
Die Sorgen der Schulleitung, aber auch fröhliche Kinder in Erwartung einer besseren Zukunft hinterlassen bleibende Eindrücke in uns als wir uns wieder auf den Rückweg machen. Bis in den späten Abend hinein besprechen wir uns und überlegen, inwiefern wir mit unserem Verein Hilfe anbieten können.
Einige Tage später treffen wir erneut Pater Leo, diesmal in Begleitung eines Mitarbeiters, ebenfalls Priester wie er, der durch einen 7-jährigen Aufenthalt in einem Krankenhaus in Regensburg deutsch spricht.
Man überreicht uns, wie von uns gewünscht, einen Projektplan für die neu zu erschaffenden Klassenzimmer und bei der Verabschiedung schauen wir in die dankbaren, aber auch hoffnungsvollen Augen der beiden.

Eine unerwartete Begegnung führt uns anderntags in die St Mary Schule, zu der wir vor längerer Zeit noch Kontakt hatten als wir dort einen Computerraum ausstatten konnten. Auch hier berichtet man uns von schweren Problemen und der Tatsache, dass man ca. 20% der Schüler verloren habe. Durch den pandemiebedingten Wegfall des Tourismus verloren viele Familien Ihre Existenzgrundlage und konnten daher ihre Kinder nicht mehr zur Schule schicken.
Immer wieder fragen wir uns, warum gerade diejenigen, die schon wenig haben, oft besonders leiden müssen.

Gruppenbild Familie Elaiya und dem Vorstandsgremium
Elaiyas Laden

Die fünfköpfige Familie des Elaiya Murugan besuchen wir tags darauf. Es wird nicht bei einem einzigen Besuch bleiben. Mehrfach machen wir uns auf den Weg zu seinem kleinen Haus mit angeschlossenem Kiosk an einer der Ausfallstraßen Mamallapurams.
Elaiya bedient gerade einen Kunden als wir auf Ihn zugehen. Die Begrüßung ist herzlich als er uns in die Arme nimmt. Er freut sich sehr, uns wieder zu sehen. Im Inneren des Hauses treffen wir auf seine an Diabetes erkrankte Frau Myriam und deren alte, gebrechliche Mutter, die uns ebenfalls liebevoll willkommen heißen. Die beiden Kinder sind in der Schule.

Besichtigung der Schäden am Haus
Schimmliges Dach an Haus von Elaiya

Der Zustand des Hauses ist erbärmlich. Seit die Straße vor dem Haus saniert und dabei leider auch höhergelegt wurde leidet die Familie bei Starkregen, vor allem aber während des Monsuns unter Wassereinbrüchen im Haus, da die marode Kanalisation rund ums Haus größere Mengen an Wasser nicht aufnehmen kann. Aufgrund dessen und der Tatsache, dass das Haus nun tiefer als die Straße liegt ist das schlichte Badezimmer samt Dusche und Toilette nicht mehr benutzbar. Eine einfache Toilette nebenan muss der Familie ausreichen. Die stark vom Schimmel befallenen, brüchigen Wände des alten Hauses saugen sich bei Regen voll wie ein Schwamm und das schon mehrfach durch Hilfe unseres Vereins reparierte Dach hat viele undichte Stellen, sodass bei Regen Behältnisse aufgestellt werden müssen, um eindringendes Wasser aufzufangen. Mit trauriger Miene berichtet uns Elaiya all dies als unser Blick auf das einzige Bett im Haus fällt. Als wir seine Frau fragen, wo denn die Familie schläft, erfahren wir bestürzt, dass Sie selbst, Ihre Mutter und die 8-jährige Tochter Sweety das Bett nutzen und Ihr Mann samt dem 14-jährigen Sohn Isaac-Paul auf dem Boden bzw. einem kleinen Sofa schlafen. Wir beschließen spontan, Ihnen den Kauf eines weiteren Bettes zu ermöglichen. Ebenso den Erwerb einer neuen Batterie zur Notstromversorgung, da die Elektrizität im Hause oft ausfällt und die alte Batterie kaum mehr über Speicherkapazität verfügt.

Überglücklich zeigt er uns Tage später seine Neuanschaffungen und die Familie bedankt sich bei uns mit einem wunderbaren Essen. Es gibt sogar Fleisch, was sich die Familie sonst nicht leisten könnte, und uns bleibt daher der eine oder andere Bissen fast im Halse stecken, weil wir um diese Umstände wissen, den Dank und die Gastfreundschaft der Familie aber annehmen möchten, um Sie nicht zu enttäuschen.

Mutter mit ihren Kindern
Gemeinsames Essen mit Familie Elaiya

Nach weiteren Besuchen und Untersuchungen des Hauses erfahren wir von Elaiya in seiner höflichen und bescheidenen Art, dass sein Traum ein neues Haus wäre. Zuviele Reparaturversuche wurden schon unternommen, um das Haus nachhaltig zu retten.
Er betet täglich dafür, dies seiner Familie zu ermöglichen.
Können wir Ihm auch hierbei helfen?
Wir diskutieren dies, auch kontrovers, als wir wieder im Hotel ankommen. Die Kosten für einen Abriss und Neubau an gleicher Stelle sind nicht unerheblich und unsere Mittel sind begrenzt. Können wir für solch ein Projekt unsere Vorstandskolleginnen und – Kollegen gewinnen? Wie kann sich jemand für eine Entscheidung in etwas hineinfühlen was er nicht vor Ort erlebt hat?
Für diese Fragen gilt es eine Antwort zu finden, denn die Zeit rinnt. So wie das Wasser in Elaiyas Haus.